Laktoseintoleranz: Krank durch Milch
Europäer, die keine Milch vertragen, gehören zu einer Minderheit. In Südasien und Afrika ist die Laktoseintoleranz der Normalfall. Sie entsteht, wenn das Enzym zur Verwertung von Milchzucker nach der Kindheit seine Aktivität stark verringert. Die Betroffenen müssen Milchprodukte meiden.Im Überblick
Manche Menschen behaupten, dass Erwachsene überhaupt keine Milch trinken sollten, da nur Säuglinge und Kinder sie problemlos vertragen. Das stimmt nicht ganz. Menschen mit europäischem Stammbaum haben auf dem
Chromosom 2 eine Veränderung, die sie Milch und Milchprodukte bis ins hohe Alter problemlos genießen lässt. Allerdings gibt es tatsächlich ein Nord-Süd-Gefälle der Milchverträglichkeit: Während nur wenige Skandinavier eine Milchzucker-Unverträglichkeit haben, kommt sie im Mittelmeerraum relativ häufig vor. Für Afrikaner und Asiaten ist sie sogar die Regel.
Grund der Unverträglichkeit ist ein Mangel oder das vollständige Fehlen des Verdauungsenzyms
Laktase. Dieses Milchzucker spaltende
Enzym wird im Magen-Darm-Trakt gebildet und sorgt für eine vollständige Aufspaltung des Milchzuckers
(Laktose). Nur die im Dünndarm gespaltenen Milchzuckerbausteine können anschließend von der Darmwand in den Körper aufgenommen werden. Ungespalten aber bleibt der Milchzucker im Darm und bindet Wasser – die typische Folge ist Durchfall. Das insgesamt bunte Beschwerdebild mit Völlegefühl, Blähungen, allgemeinem Unwohlsein bis hin zu depressiven Verstimmungen führt häufig zu Fehldiagnosen und einer langen Odyssee von unnötigen Arztbesuchen.
Inzwischen gibt es eine ganze Palette laktosefreier Milchprodukte auch im gut sortierten Supermarkt. Diese Produkte sind aus normaler Milch gemacht, aber schon während des Herstellungsprozesses wird deren Milchzucker in Glukose und
Galaktose aufgespalten. Dank dieser Produkte muss bei uns also niemand ganz auf die kalziumreiche Lebensmittelgruppe verzichten.
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Laktoseintoleranz kommt in verschiedenen Formen vor
1. Angeborener kompletter Laktasemangel (= Alaktasie)
Hierbei handelt es sich um einen angeborenen, sehr seltenen Enzymdefekt, der bereits im Säuglingsalter auftritt und durch einen kompletten Laktasemangel gekennzeichnet ist. Die Ursache ist genetisch bedingt und somit vererbbar. Die damit verbundene Wachstumsstörung kann für das Gehirn schwerwiegende Folgen haben. Deshalb muss bei Alaktasie die laktosefreie Diät strikt, auch für kleinste Mengen, eingehalten werden. Die Symptome wie zum Beispiel schwerer Durchfall, Austrocknung und Unterernährung treten schon in den ersten Lebenswochen auf, solange nicht auf eine völlig laktosefreie Kost umgestiegen wird.
2. Angeborener (primärer) teilweiser Laktasemangel
Diese Form des Laktasemangels ist ebenfalls erblich bedingt. Sie ist am weitesten verbreitet. In der Kindheit wird das milchabbauende Enzym noch produziert. Es bildet sich erst rund um die Zeit der Pubertät zurück. Die Laktaseaktivität in der Dünndarmschleimhaut wird allmählich so schwach, dass Milch oder milchzuckerhaltige Lebensmittel Beschwerden auslösen können, zumindest wenn der Betroffene sie in größeren Mengen. Auch hier hilft eine milchzuckerfreie Kost, um die Beschwerden zu bessern.
3. Erworbener (sekundärer) Laktasemangel
Diese Art eines Laktasemangels ist nicht genetisch bedingt, sondern erworben, zum Beispiel durch bestimmte Erkrankungen des Verdauungstrakts, etwa die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
Morbus Crohn und Colitis ulcerosa,
Zöliakie, bakterielle Infektionen oder Pilzinfektionen des Darms, Darmgrippe, Magen- und Darmoperationen sowie durch Antibiotika oder Zytostatika. Nach der erfolgreichen Behandlung der Grundkrankheit bildet sich die erworbene Milchzuckerunverträglichkeit wieder zurück.
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Unspezifische Beschwerden sind typisch
Hervorgerufen durch die unzureichende Verdauung der
Laktose im Dünndarm werden die unverdauten Milchzucker von Darmbakterien im Dickdarm unter Bildung von Gasen zersetzt. Als Folge entwickeln sich Völlegefühl, Blähungen, krampfartige Bauchschmerzen und plötzliche Durchfälle. Weitere Symptome sind oft unspezifisch und können sich als Übelkeit nach dem Essen, Schwindelgefühl, Schlafstörungen, unreine Haut oder depressive Verstimmungen äußern. Dieses vielfältige Beschwerdebild führt oft auf eine falsche Fährte bei der Suche nach Ursachen. Wie bei vielen Krankheitsbildern sind die Symptome der Laktoseintoleranz gerade bei Kindern besonders unspezifisch.
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Atemtest verrät die Unverträglichkeit
Eine erste Diagnose der Laktoseintoleranz kann häufig schon mit dem sogenannten Auslassversuch gestellt werden. Hierbei wird einige Tage auf Lebensmittel mit Laktose in der Ernährung verzichtet. Tritt daraufhin eine Besserung der Symptome ein, kann der anschließende Expositionstest Klarheit verschaffen. Dafür trinkt man eine größere Menge aufgelösten Milchzuckers, den es in Drogerien, Reformhäusern und Apotheken gibt. Rebelliert der Bauch dann wieder, liegt meistens eine Laktoseintoleranz vor.
Auch der H2-Atemtest kann die Diagnose der Laktoseintoleranz untermauern. In einzelnen Fällen kann eine Dünndarmbiopsie die endgültige Diagnose stellen, das ist meist jedoch nicht notwendig.
H2-Atem-Test: Wird die Laktose, nicht im Dünndarm aufgenommen, sondern im Dickdarm von Darmbakterien verstoffwechselt, entsteht bei dieser Verstoffwechselung das Gas Wasserstoff (H
2). Dieses Gas wird ins Blut aufgenommen, zur Lunge transportiert und an die Atemluft abgegeben. In der Atemluft kann dann der Wasserstoff nachgewiesen werden. Beim Test wird H
2 vor und nach der Gabe von Milchzucker gemessen. Es kommt allerdings häufig zu falsch negativen Befunden. Erzeugen Bakterien in der Darmflora eines Patienten Methan, ist der Nachweis von Wasserstoff nicht möglich.
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Therapie: Laktose nur in kleinen Mengen
Die Therapie der
Laktose-Intoleranz beinhaltet als wichtigsten Aspekt die Vermeidung laktosehaltiger Lebensmittel. Hierbei sollte auf möglichst viele Lebensmittel mit Laktose verzichtet werden. Oft ist kein vollständiger Verzicht notwendig, da die Menge des aufgenommenen Milchzuckers für die Stärke der Symptome entscheidend ist.
Bei stark laktosehaltigen Lebensmitteln kann durch eine zusätzliche Gabe des fehlenden Enzyms Laktase in Tablettenform der Grad der Symptome verringert werden. Dies sollte jedoch nur in Ausnahmefällen erfolgen. Wenn eine strenge, Laktose meidende Diät eingehalten werden muss, sollten Sie auf eine zusätzliche Kalziumgabe achten. So vermeiden Sie Mangelerscheinungen, wie zum Beispiel das Entstehen einer Osteoporose.
Laktosefreie bzw. reduzierte Milch, Käse, Joghurt oder Quark erlauben auch Menschen mit Laktoseintoleranz den Genuss von Milchprodukten.
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Laktose versteckt sich in vielen Lebensmitteln
Laktose ist vor allem natürlich in Milch- und Milchprodukten enthalten, in anderen Lebensmitteln versteckt kommt Laktose allerdings ebenso häufig vor, zum Beispiel in Brötchen, Wurstwaren und als Zusatzstoff in vielen Fertiggerichten – von der Tütensuppe bis zu Würzmischungen. Dies führt zu der irrtümlichen Annahme, sich laktosearm zu ernähren, obwohl man unentdeckte große Mengen an Laktose zu sich nimmt.
Bei einer laktosearmen- oder laktosefreien Diät müssen Sie daher unbedingt die Zutatenliste der Lebensmittel prüfen, um Diätfehler zu vermeiden und die Beschwerden in den Griff zu bekommen.
Gehalt an Laktose in g pro 100 g verschiedener, ausgewählter Lebensmittel
Milchgetränke, je 100 Gramm: |
|
Frischmilch, H-Milch |
4,8 - 5,0 |
Milchmixgetränke |
4,4 - 5,4 |
Dickmilch |
3,7 - 5,3 |
Kaffeesahne 10-15% Fett |
3,8 - 4,0 |
Kondensmilch 4-10% |
9,3 - 12,5 |
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Weitere Milcherzeugnisse je 100 Gramm: |
|
Joghurt |
3,7 - 5,6 |
Joghurtzubereitungen (Schoko, Nuss, Müsli, Mokka, Vanille) |
3,5 - 6,0 |
Kefir |
3,5 - 6,0 |
Buttermilch |
3,5 - 4,0 |
Sahne, Rahm |
2,8 - 3,6 |
Crème fraîche |
2,0 - 3,6 |
Butter |
0,6 - 0,7 |
Milchpulver |
38,0 - 51,5 |
Molke, Molkegetränke |
2,0 - 5,2 |
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Süßspeisen je 100 Gramm:
|
|
Desserts (Cremes, Pudding, Milchreis, Grießbrei) |
3,3 - 6,3 |
Eiscreme (Milch- Frucht-, Joghurteis) |
5,1 - 6,9 |
Sahneeis |
1,9 |
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Käse und Frischkäse je 100 Gramm: |
|
Magerquark |
4,1 |
Rahm, Doppelrahmfrischkäse |
3,4 - 4,0 |
Speisequark 10-70% Fett i. Tr. |
2,0 - 3,8 |
Schichtkäse 10-50% Fett i. Tr. |
2,9 - 3,8
|
Hüttenkäse 20% Fett i. Tr. |
2,6 |
Frischkäsezubereitungen |
2,0 - 3,8
|
Schmelzkäse 10–70% Fett i. Tr. |
2,8 - 6,3 |
Käsefondue (Fertigprodukt) |
1,8 |
Käsepastete 60–70% Fett i. Tr. |
1,9 |
Kochkäse 0–45% Fett i. Tr. |
3,2 - 3,9 |
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So gut wie laktosefrei sind folgende Käsesorten: Hart-, Schnitt-, Weichkäse, Emmentaler, Bergkäse, Parmesan, Edamer, Gouda, Tilsiter, Trappistenkäse, Appenzeller, Brie, Camembert, Weichkäse, Weinkäse, Chester, Edelpilzkäse, Schafskäse, Havarti, Limburger, Romadur, Mozzarella, Münsterkäse, Räucherkäse, Butterkäse, Esrom, Sauermilchkäse (Harzer, Mainzer, Handkäse)
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Mangelernährung vermeiden
Wichtig bei der
Laktoseintoleranz ist es, eine Unterversorgung an bestimmten Mineralien zu vermeiden. In erster Linie geht es hierbei um Kalzium. Der Körper zieht seine Kalziumreserven größtenteils aus Milch und Milchprodukten. Eine auf Dauer zu geringe Aufnahme kann schlimmstenfalls zu Osteoporose führen. Deshalb sollte der Bedarf an Kalzium bei einer Laktoseintoleranz möglichst über andere Lebensmittel gedeckt werden. Dazu eignen sich in erster Linie kalziumreiche pflanzliche Lebensmittel (Grünkohl, Brokkoli, Fenchel und Gartenkräuter). Kalziumreiche Mineralwässer (mindestens 150 mg Kalzium/l) und kalziumangereicherte Fruchtsäfte sind eine weitere Möglichkeit, die Kalziumzufuhr anzuheben. Gegebenenfalls ist nach Rücksprache mit einem Arzt an eine Substitution durch Kalziumpräparate zu denken, zum Beispiel im Wachstum, während Schwangerschaft und Stillzeit.
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Adressen und Informationsquellen
- Deutsches Ernährungsberatungs- und -informationsnetz (DEBInet)
Institut für Ernährungsinformation Klinik Hohenfreudenstadt
Tripsenweg 17
72250 Freudenstadt
E-Mail: info@ernaehrung.de
Internet: www.ernaehrung.de
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE)
Godesberger Allee 18
53175 Bonn
Tel: 0228 377 66 00
Fax: 0228 377 68 00
E-Mail: webmaster@dge.de
Internet: www.dge.de
- Berufsverband Deutscher Ernährungsmediziner e.V.
Reichsgrafenstraße 11
79102 Freiburg
Tel: 0761 7040214
Fax: 0761 72024
E-Mail: info@bdem.de
Internet: www.bdem.de
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